Bild Strassenbahn auf der Fahrt ins TRO von Ivo Köhler 05/1985 – herzlichen Dank.
Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit dem Gütertransport auf der Industriebahn mit Strassenbahnen der BVG. Durch Zufall entdeckte ich diesen Beitrag in der TRO Betriebszeitung „Trojaner 1982 Nr 26“ und wer könnt es besser schreiben als die Beteiligten selbst. Ich zitiere:
„Die Notwendigkeit der Einsparung Von Dieselkraftstoff zwingt zu neuen Ideen im Gütertransport, zu neuen Wegen in der Transportrationalisierung.
Eine dieser Ideen war es, den Materialtransport zwischen unserem Betriebsteil Niederschönhausen und dem Hauptwerk mit der Straßenbahn zu realisieren. Da eine Gleisendschleife der Straßenbahn unmittelbar an das Gelände unseres Zweigwerkes angrenzt, lag dieser Gedanke in der Luft. Ein entsprechender Vorschlag an die BVB zündete dann auch sofort den Funken, der bis zur Realisierung von allen Beteiligten mit Begeisterung aufgenommen wurde. Stellvertretend für viele sei hier Genosse Jacob, Fachdirektor für Verkehr beim Kombinat BVB, genannt.
Kurzfristig wurde unser Betriebsteil N an das bestehende Gleisnetz der Straßenbahn angeschlossen. Die Kollegen der BVB lieferten bei der Beschaffung der notwendigen Weiche, der Projektierung, der Einholung der Baugenehmigungen sowie bei der Bauausführung ein Meisterstück an Organisation. Schon Anfang Mai konnten die Abnahme durch die Staatliche Bauaufsicht und eine Probefahrt erfolgen. Endstation war damals der Straßenbahnhof Nalepastraße, wo umgeladen werden mußte. Die Problematik der Anbindung des Hauptwerkes an das Straßenbahnnetz machte dieses Provisorium notwendig. Die Schwierigkeiten bestanden darin, daß
— eine weitere Weiche, die kurzfristig nicht zur Verfügung stand, in das BVB- Streckengleis hätte eingebaut werden müssen,
— das Anschlußgleis hätte bis zur Drehscheibe vor der Versandhalle geführt werden müssen, wobei ein Höhenunterschied von etwa 0,6 m auf 20 m zu überwinden gewesen wäre,
— mehrere unterirdische Rohrleitungen, ein Kabelkanal der Deutschen Post sowie das Streckengleis der Güterbahn des VEB Binnenhafen hätten überquert werden müssen,
— eine Gleiskreuzung für die Überquerung des Gütergleises hätte speziell angefertigt werden müssen.
Um den daraus entstehenden erheblichen Projektierungs- und Organisationsaufwand zu vermeiden, erschien es allen Beteiligten als die vernünftigste Lösung, das vorhandene Streckengleis der
Ein Neuerervorschlag wurde realisiert / Seit dem 28. Juni 1982 rollt der Gütertransport zwischen Niederschönhausen und Hauptwerk per Bahn
Güterbahn für das Befahren mit Straßenbahnfahrzeugen zu nutzen, zumal die wichtigste Voraussetzung hierfür — eine Weiche im Bereich des Straßenbahnhofs Nalepastraße — vorhanden war. Diese Weiche verbindet die beiden Gleisnetze und ermöglicht das Abstellen der berühmten „Bullen“, der E- Loks des VEB Binnenhafen in der Wagenhalle des Straßenbahnhofs.
Allerdings stand der praktischen Ausführung noch einiges im Wege. So hat ein reichsbahntypisches Rad z. B. eine Breite von 135 mm, das der Straßenbahn nur von 85 mm. Wie die Differenz von 50 mm, die das Fahrverhalten des Rades beim Durchfahren von Weichen beeinflusst, ausgleichen? Wie die Gefahr einer Entgleisung der Straßenbahn beseitigen? Eine Zustimmung der Staatlichen Bahnaufsicht des Ministeriums für Verkehrswesen
hätten wir zum Befahren im alten Zustand nie erhalten. Sie forderte einen Verschluß der führungslosen Stelle im Herzstückibereich der Weichen.
Kollege Rienau, TGB, entwickelte ein transportables Keilverschlußstück, das mühelos von Hand in das Herzstück der zu befahrenden Weichen eingelegt wird und dem Straßenbahnrad eine durchgehende Fahrkante gewährleistet. Somit war das letzte größere Hemmnis für die Aufnahme des Straßenbahn-Gütertransports zwischen N und dem Hauptwerk beseitigt.
Endlich! Am 28. Juni 1982 war es soweit. Alle notwendigen Unterlagen, Zeichnungen und Veränderungen waren genehmigt. Pünktlich 14.25 Uhr verließ der erste offizielle Straßenbahngüterzug unser Zweigwerk in N, um nach exakt 82 Minuten im Hauptwerk einzutreffen.
Inzwischen sind bereits mehrere solcher Züge zwischen den Betriebs teilen gependelt. Das daran beteiligte Arbeitsteam, das Kollegen unseres Werkes, der BVB und des VEB Binnenhafen in einem Kollektiv vereint, ist bemüht, die Transporte so effektiv und rationell wie möglich zu gestalten.
Neue Ideen werden , geboren, und manchmal wird auch in die Zukunft geträumt. So ist es z. B. durchaus denkbar, das Streckennetz auf unsere Betriebsteile in Köpenick, Rummelsburg, Altglienicke und Hauptlager auszudehnen.
Genosse Horst Hadinek, BT, meint dazu: Wir sind uns klar darüber, daß der Aufwand nur für den ersten Betrieb im geschilderten Umfang entsteht, und daß sich dieser Aufwand nur lohnt, wenn möglichst viele Betriebe möglichst schnell nachziehen.
Werner Jänecke, KDT, Dieter Scholz, BTT“